Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG bei teilentgeltlicher Übertragung eines Grundstücks

Auch bei einer teilentgeltlichen Übertragung von Immobilien unter den historischen Anschaffungskosten liegt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vor. Entscheidend ist die anteilige Aufteilung nach Verkehrswert und Gegenleistung, so der BFH in einer aktuellen Entscheidung.

Private Veräußerungsgeschäfte stellen nach § 22 Nr. 2 EStG eine Form der sonstigen Einkünfte dar und werden durch § 23 EStG näher bestimmt. Ein wesentlicher Anwendungsfall sind Grundstücksveräußerungen innerhalb einer Spekulationsfrist von zehn Jahren. Hierbei müssen zwischen dem Erwerb und der Veräußerung der Immobilie höchstens zehn Jahre vergangen sein, damit die Transaktion steuerlich relevant wird (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Eine Besonderheit gilt bei unentgeltlichen Erwerbsvorgängen: Wurde das Wirtschaftsgut durch Schenkung, Erbschaft oder ähnliche Übertragungen erworben, beginnt die Spekulationsfrist bereits mit dem ursprünglichen Erwerb des Rechtsvorgängers zu laufen. Der Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung ist für die Fristberechnung nicht maßgebend (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG).

Darum ging es 

Der Kläger erwarb im Jahr 2014 eine vermietete Immobilie für 143.950 Euro und finanzierte sie teilweise fremd. Im März 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter, wobei zu diesem Moment noch eine Bankverbindlichkeit in Höhe von 115.000 Euro bestand. Der Verkehrswert der Immobilie belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 210.000 Euro.

Im Rahmen der Übertragung übernahm die Tochter die bestehende Bankverbindlichkeit von 115.000 Euro und finanzierte diese neu. Zusätzlich leistete der Vater eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 4.000 Euro. Aus Sicht des Klägers und seiner Tochter handelte es sich um eine unentgeltliche Übertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, da das „Entgelt“ von 115.000 Euro deutlich unter den ursprünglichen Anschaffungskosten von 143.950 Euro lag.

Das Finanzamt stufte den Vorgang hingegen als teilentgeltlichen Übertragungsvorgang ein, der nach Maßgabe des Verkehrswerts und der übernommenen Verbindlichkeiten aufzuteilen sei. Bei einem Verkehrswert von 210.000 Euro ergab sich ein entgeltlicher Anteil von 115.000 Euro (54,76 %) und ein unentgeltlicher Anteil von 95.000 Euro (45,24 %).

Das Finanzamt berechnete den Veräußerungsgewinn wie folgt: Dem Veräußerungserlös von 115.000 Euro standen anteilige Anschaffungskosten von 78.828 Euro gegenüber, was 54,76 % von 143.950 Euro entspricht. Nach Hinzurechnung der anteiligen AfA-Korrektur von 6.672 Euro und Abzug der anteiligen Vorfälligkeitsentschädigung von 2.191 Euro ergab sich ein Veräußerungsgewinn von 40.653 Euro.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Niedersächsische Finanzgericht der Klage statt und führte mehrere Argumente an: Bei Übertragungen unter den historischen Anschaffungskosten komme es zu keinem realisierten Wertzuwachs, weshalb eine teleologische Reduktion der Spekulationsbesteuerung erforderlich sei. Zudem werde dem Kläger ein Gewinn zugerechnet, ohne dass entsprechende Mittel zugeflossen seien, was ein erhebliches Liquiditätsproblem darstelle. Das Finanzgericht sah auch eine problematische Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Schenkungsteuer sowie verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Besteuerung nur fiktiver Einkünfte. 

Entscheidung des BFH

Mit seiner Entscheidung bestätigt der BFH seine ständige Rechtsprechung zur sogenannten „strengen Trennungstheorie“. Demnach werden teilentgeltliche Übertragungen grundsätzlich in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil aufgeteilt. Maßgeblich ist dabei das Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert. Entsprechend dieser „Entgeltlichkeitsquote“ werden die Anschaffungskosten aufgeteilt.

Die entscheidende Neuerung des Urteils besteht darin, dass diese Aufteilung auch dann gilt, wenn das Entgelt unter den historischen Anschaffungskosten liegt. Der BFH begründet dies damit, dass den anteiligen Anschaffungskosten von 78.828 Euro für den entgeltlichen Teil von 54,76 % ein Entgelt von 115.000 Euro gegenübersteht. Somit habe der Kläger bezogen auf den entgeltlichen Teil durchaus einen Wertzuwachs erzielt, weshalb es sich nicht um die Besteuerung eines fiktiven Sachverhalts handle.

Gleichzeitig lehnt der BFH die Anwendung der aus dem Betriebsvermögensbereich bekannten „modifizierten Trennungstheorie“ auf Privatvermögen ab. Diese würde zu einer kunstgewollten Verlustgenerierung führen und widerspreche zudem § 23 Abs. 1 S. 3 EStG. Außerdem blieben dabei Wertsteigerungen völlig unberücksichtigt.

Der BFH weist auch die vom Finanzgericht angeführten Einwände zurück. Eine teleologische Reduktion der Spekulationsbesteuerung komme nicht in Betracht, da keine planwidrige Regelungslücke erkennbar sei. Vielmehr seien sowohl entgeltliche als auch unentgeltliche Übertragungen im Gesetz ausdrücklich geregelt. Bezüglich der befürchteten Doppelbesteuerung stellt der BFH klar, dass keine tatsächliche Doppelbelastung vorliege, da die Einkommensteuer nur den entgeltlichen Teil und die Schenkungsteuer nur den unentgeltlichen Teil erfasse. Eine kumulative Belastung mit beiden Steuerarten sei vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden. Auch verfassungsrechtliche Bedenken sieht der BFH nicht, zumal das Bundesverfassungsgericht eine kumulative Belastung bisher nicht beanstandet habe.

Hinweis: Für Steuerpflichtige bedeutet diese Entscheidung, dass auch familieninterne Immobilienübertragungen mit Schuldenübernahme nicht automatisch steuerschonend sind. Selbst wenn eine Immobilie nur“ mit Schuldenübernahme übertragen wird, kann erhebliche Spekulationssteuer anfallen. Dies macht eine frühzeitige steuerliche Beratung und entsprechende Liquiditätsplanung unabdingbar. Alternative Gestaltungsmodelle wie das Abwarten der Zehnjahresfrist oder eine vollständig unentgeltliche Übertragung sollten daher rechtzeitig geprüft werden. Gerne beraten wir Sie!

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