OVG NRW: Rücknahme von Corona-Soforthilfen bei verbundenen Unternehmen rechtmäßig
Die Urteile betreffen Fälle, in denen mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen wirtschaftlich miteinander verbunden waren, jedoch bei der Antragstellung als unabhängige Unternehmen auftraten.
Sachverhalt
Die Kläger betreiben verschiedene Gastronomiebetriebe. Im Verfahren 4 A 274/23 handelte es sich um einen Einzelunternehmer, der vier Gastronomiebetriebe führte und zugleich alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH sowie Kommanditist einer GmbH & Co. KG war. In den Verfahren 4 A 2550/22 und 4 A 2551/22 waren die Klägerinnen GmbH & Co. KGs, deren Kommanditistinnen sowie Geschäftsführerinnen und Gesellschafterinnen der persönlich haftenden GmbHs identisch waren.
Ende März 2020 stellten alle Kläger beim Land Nordrhein-Westfalen jeweils einen Antrag auf Gewährung einer NRW-Soforthilfe 2020 für ihren Betrieb. Dabei versicherten sie unter anderem, dass ihr Unternehmen unabhängig sei und es keine verbundenen Unternehmen gebe. Daraufhin wurden ihnen die Soforthilfen als einmalige Pauschalen bewilligt. Später nahm das Land die Bewilligungsbescheide jedoch wieder zurück, da es sich bei den Betrieben jeweils um Teilunternehmen eines verbundenen Unternehmens handelte und die Bewilligungen somit gegen das europäische Beihilfenrecht verstießen.
Entscheidung des OVG NRW
Das OVG NRW hat die Rücknahme der Bewilligungsbescheide bestätigt. Das Gericht stellte fest, dass die Gewährung der NRW-Soforthilfen 2020 gegen europäisches Beihilfenrecht verstieß, sofern sie ausschließlich unter Berücksichtigung der eigenen Wirtschaftslage eines einzelnen Unternehmens geleistet wurden, obwohl dieses Teil eines Unternehmensverbundes war. Die Kläger hätten bei der Antragstellung die wirtschaftlichen Verflechtungen offenlegen müssen. Durch die unzutreffende Angabe, es handele sich um unabhängige Unternehmen, sei es zu einer rechtswidrigen Bewilligung der Soforthilfen gekommen.
Die Kläger könnten sich nicht auf ein Vertrauen berufen, die Soforthilfen behalten zu dürfen. Der beihilferechtliche Unternehmensbegriff sei bereits lange vor der Corona-Pandemie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und in Bekanntmachungen der Europäischen Kommission geklärt gewesen. Das Gericht betonte, dass die Definition von „verbundenen Unternehmen“ im Sinne des EU-Beihilfenrechts zwar weit auszulegen sei. Demnach können mehrere rechtlich selbstständige Einheiten als ein einziges Unternehmen gelten, wenn sie durch Kontrollbeteiligungen oder andere funktionelle, wirtschaftliche und institutionelle Verbindungen miteinander verbunden seien. In den vorliegenden Fällen wären die wirtschaftlichen Verflechtungen der Kläger aber so eng gewesen, dass sie als ein einziges Unternehmen im beihilfenrechtlichen Sinne zu betrachten seien.
Das Antragsformular sei zwar missverständlich formuliert, sodass den Klägern angesichts der außergewöhnlichen Umstände zu Beginn der Corona-Pandemie sowie der uneinheitlichen rechtlichen Bewertung – selbst durch Verwaltungsgerichte – kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden könne, die komplexen beihilfenrechtlichen Zusammenhänge, die selbst für Fachleute nicht immer eindeutig waren, nicht in vollem Umfang erkannt zu haben.
Gleichzeitig könne dem Land Nordrhein-Westfalen jedoch nicht treuwidrig entgegengehalten werden, dass es sich auf die objektiv unzutreffende Erklärung der Kläger im Antragsformular – wonach es sich bei ihrem Unternehmen weder um ein Partner- noch um ein verbundenes Unternehmen handele – gestützt habe, um die nach unionsrechtlichen Vorgaben zwingend erforderliche Rücknahme der Bewilligungen vorzunehmen.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidungen des OVG NRW verdeutlichen die Bedeutung einer korrekten und vollständigen Angabe der Unternehmensstruktur bei der Beantragung von staatlichen Beihilfen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie ihre wirtschaftlichen Verflechtungen offenlegen, um eine rechtskonforme Bewilligung zu erhalten. Andernfalls droht die Rücknahme der Bewilligungsbescheide und die Rückforderung der erhaltenen Mittel.
Hinweis: Die Zulassung einer Revision wurde durch den Senat in allen Fällen abgelehnt.
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