Drittstaaten-Dividenden: Verstößt Deutschland gegen EU-Recht?

Der BFH hat den Europäischen Gerichtshof angerufen. Es geht um die Frage, ob der abgeltende Steuerabzug auf Dividenden an Drittstaatengesellschaften mit der Kapitalverkehrsfreiheit des EU-Rechts vereinbar ist. Der Fall könnte weitreichende Folgen für die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Dividendenzahlungen haben.

Der BFH hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss vom 03.06.2025 (VIII R 21/22) verschiedene Fragen, die im Zusammenhang mit dem abgeltenden Einbehalt von Kapitalertragsteuer auf Dividenden an Drittstaatengesellschaften von Belang sind, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Darum ging es im Streitfall

Die Klägerin, eine japanische Kapitalgesellschaft, bezog in den Streitjahren 2009 bis 2011 Dividenden von einer deutschen Kapitalgesellschaft, deren alleinige Anteilseignerin sie war. Entsprechend den Vorgaben des Doppelbesteuerungsabkommens (Art. 10 Abs. 2 DBA Japan 1966 = DBA) wurde von den Dividenden jeweils 15 % Kapitalertragsteuer einbehalten. Dieser Steuerabzug hatte abgeltende Wirkung.

Aufgrund einer Änderung des japanischen Rechts wurde der Klägerin ab dem 01.04.2009 eine Steuerbefreiung in Höhe von 95 % des Dividendenbetrags gewährt. Die bis dahin nach Art. 23 Abs. 2 DBA mögliche vollständige Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die japanische Körperschaftsteuer ging damit weitgehend ins Leere.

Da es bei der Körperschaftsteuerveranlagung deutscher Mutterkapitalgesellschaften, die Dividenden von deutschen Tochterkapitalgesellschaften beziehen, zur Anrechnung und ggf. Erstattung der Kapitalertragsteuer kommt, sieht sich die Klägerin durch den abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug in ihrer Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verletzt. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer sei ihr zu erstatten. Das Finanzgericht sah dies anders. Es hat die auf Erteilung von Freistellungsbescheiden gerichtete Klage abgewiesen.

EuGH soll über Kapitalverkehrsfreiheit entscheiden

Der VIII. Senat des BFH hält mehrere Rechtsfragen für unionsrechtlich zweifelhaft. Zentrale Frage sei zunächst, ob die Niederlassungsfreiheit die Kapitalverkehrsfreiheit als Prüfungsmaßstab verdränge. Könne sich die Klägerin auf die Kapitalverkehrsfreiheit stützen, sei zweifelhaft, ob durch den abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug eine von der Bundesrepublik Deutschland verursachte Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliege, da die im DBA unverändert vorgesehene Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die japanische Körperschaftsteuer nur wegen der innerstaatlichen japanischen Rechtsänderungen ins Leere laufe.

Außerdem will der BFH vom EuGH wissen, ob eine solche Beschränkung gerechtfertigt sein kann und ob im Fall einer unionsrechtswidrigen Beschränkung die Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer davon abhängig gemacht werden darf, dass es dem Bundeszentralamt für Steuern möglich ist, die Angaben der Klägerin auf der Grundlage eines Informationsaustauschs mit den japanischen Steuerbehörden überprüfen zu können.

Hinweis: Der Fall zeigt exemplarisch, wie sich Änderungen im ausländischen Steuerrecht auf deutsche Steuerpflichten auswirken können. Unternehmen mit Beteiligungen in Drittstaaten sollten genau prüfen, wie steuerliche Änderungen im Ausland sich auf die Anrechnung oder Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer auswirken. Die Entscheidung des EuGH könnte neue Möglichkeiten schaffen, Rückforderungen durchzusetzen oder bestehende Steuerpraxis anzufechten. Wichtig ist auch, mögliche Informationsaustausche mit ausländischen Finanzbehörden im Blick zu behalten. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

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