Privatgutachten: Steuerpflichtiger setzt verkürzte Gebäudenutzungsdauer durch

Steuerpflichtige können auf privat erstellte Gutachten setzen, um kürzere Nutzungsdauern von Immobilien geltend zu machen. Das Finanzgericht Hamburg entschied, dass auch solche Gutachten als geeignete Nachweise anerkannt werden.

Das Finanzgericht Hamburg erkennt im Urteil vom 01.04.2025 (3 K 60/23) an, dass auch Privatgutachten zur Schätzung einer verkürzten Restnutzungsdauer von Gebäuden geeignet sind. Im Streitfall hatte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) für vier vermietete Immobilien eine höhere Abschreibung (AfA) auf Basis einer kürzeren tatsächlichen Restnutzungsdauer begehrt. Sie stützte sich dabei auf privat beauftragte Gutachten, die unter Verwendung der ImmoWertV und Sachwertrichtlinie erstellt wurden. Das Finanzamt erkannte diese Gutachten nur teilweise an und verwies auf fehlende gesetzlich geforderte Standards.

Wahlrecht bei AfA: Privatgutachten zulässig

Das Finanzgericht Hamburg stellt klar, dass der Steuerpflichtige nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes durch jede geeignete sachverständige Methode nachweisen kann, also auch mittels Privatgutachten. Diese dürfen sich auf Modelle der ImmoWertV und SW-Richtlinie stützen, sofern sie sachlich fundiert sind und die individuellen Gegebenheiten des Gebäudes berücksichtigen.

Methodik ist entscheidend, nicht Zertifizierung

Das Finanzgericht würdigte die vorgelegten Gutachten als plausibel und nachvollziehbar. Der Sachverständige hatte detaillierte Bewertungen zu Modernisierungen, Zustand und Nutzbarkeit der Gebäude abgegeben. Die Methodik, insbesondere die Punktebewertung der Modernisierungsmaßnahmen, wurde nicht beanstandet. Eine spezielle Zertifizierung oder öffentliche Bestellung des Sachverständigen war laut Finanzgericht nicht erforderlich.

Folge: Anpassung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

Das Finanzgericht Hamburg gab der Klage vollumfänglich statt. Die ursprünglichen Feststellungsbescheide, die die typisierte Nutzungsdauer zugrunde legten, wurden als rechtswidrig eingestuft. Die AfA ist auf Basis der durch Gutachten belegten, kürzeren Restnutzungsdauer neu zu berechnen. Das Finanzgericht sah auch keine Veranlassung, die Kaufpreisaufteilung wegen der verkürzten Nutzungsdauer zu beanstanden, da diese bereits berücksichtigt worden sei.

Hinweis: Steuerpflichtige, die eine kürzere als die typisierte Nutzungsdauer für Gebäude ansetzen möchten, können dies künftig überzeugender mit einem fundierten Privatgutachten untermauern, auch gegen behördliche Skepsis. Wichtig ist, dass das Gutachten nicht pauschal, sondern individuell nachvollziehbar darlegt, wie sich Zustand und Nutzung des Gebäudes auf die Restnutzungsdauer auswirken. Das Urteil zeigt: Sorgfältig erstellte private Gutachten haben gute Chancen auf Anerkennung. Gerne beraten wir Sie!

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