Nachzahlungszinsen bleiben trotz Wechsel zur Einzelveranlagung bestehen

Wechseln Ehegatten von der Zusammenveranlagung zur Einzelveranlagung, bleiben nach einer Entscheidung des BFH die zuvor gegen beide Eheleute festgesetzten Nachzahlungszinsen unverändert bestehen – auch wenn die Einkünfte allein einem Ehegatten zuzurechnen sind.

Der BFH stellt in seinem Urteil vom 30.07.2025 (X R 11/23) klar, dass die gesetzliche Regelung für rückwirkende Ereignisse eine Entkopplung von Steuer- und Zinsschuldnerschaft zulässt.

Steuerfahndung führt zu hohen Nachzahlungszinsen

Die Klägerin war von 2010 bis 2015 mit ihrem damaligen Ehemann verheiratet. Beide wurden zunächst zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Im März 2019 ergingen nach einer Steuerfahndungsprüfung geänderte Einkommensteuerbescheide für diese Jahre. Die Steuerfahndung hatte festgestellt, dass der Ehemann bisher nicht bekannte erhebliche Einkünfte aus einem gewerblichen Einzelunternehmen erzielt hatte. Zeitgleich mit den geänderten Einkommensteuerbescheiden setzte das Finanzamt Nachzahlungszinsen gegen beide Eheleute als Gesamtschuldner fest.

Gegen die Änderungsbescheide legten die Eheleute Einspruch ein und beantragten nur wenige Tage später die getrennte bzw. Einzelveranlagung für alle streitigen Jahre. Daraufhin hob das Finanzamt im Juli 2019 die Zusammenveranlagungsbescheide auf und erließ gegen beide Eheleute jeweils gesonderte Einkommensteuerbescheide. In den beigefügten Abrechnungen erklärte die Behörde jedoch, dass die bisherigen Zinsfestsetzungen bestehen blieben.

Daraufhin forderten die Eheleute die Aufhebung der Zinsfestsetzungen zu den aufgehobenen Zusammenveranlagungsbescheiden sowie eine Neufestsetzung auf Grundlage der Einzelveranlagungen. Das Finanzamt lehnte dies mit Verweis auf die gesetzlichen Regelungen für rückwirkende Ereignisse ab. Zusätzlich erließ die Behörde Aufteilungsbescheide, in denen sie die rückständigen Zinsbeträge vollständig dem Ehemann zuordnete. Das Finanzgericht wies die hiergegen erhobene Klage ab.

Entscheidung: Zinsen bleiben bei beiden Eheleuten bestehen

Auch der BFH wies die Revision der Klägerin zurück und bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts. Der Wechsel der Veranlagungsform durch Ehegatten stelle ein rückwirkendes Ereignis im Sinne der Abgabenordnung dar. Für solche rückwirkenden Ereignisse gelten besondere Regelungen bei der Verzinsung.

Nach der gesetzlichen Konzeption solle ein rückwirkendes Ereignis in Bezug auf Nachzahlungs- und Erstattungszinsen gerade nicht zurückwirken. Der Gesetzgeber habe für diese Fälle in der Abgabenordnung ausdrücklich geregelt, dass bei einem rückwirkenden Ereignis der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten sei. Für den Zeitraum davor blieben bereits festgesetzte Zinsen endgültig bestehen. Diese Regelung durchbreche bewusst den sonst geltenden Grundsatz, dass der Zinsanspruch dem Steueranspruch folgt.

Der Senat stellte klar, dass der Gesetzeswortlaut die vom Finanzamt vorgenommene Behandlung trägt. Die Vorschrift spräche von festgesetzten Zinsen, die endgültig bestehen bleiben. Eine rein materiell-rechtliche Auslegung, wonach nur die Höhe der Zinsen, nicht aber die Person des Zinsschuldners gemeint sei, lehnte der BFH ab. Eine solche Differenzierung sei weder dem Gesetz noch der bisherigen Rechtsprechung bekannt. Die gesetzliche Systematik für rückwirkende Ereignisse sehe vielmehr vor, dass es in Bezug auf die Zinsen bei der zusammengefassten Zinsfestsetzung bleibt, obwohl sich die Eheleute in Bezug auf die Einkommensteuer erfolgreich von der Zusammenveranlagung gelöst haben.

Die gefundene Lösung führt nach Ansicht des Senats auch nicht zu unangemessenen Ergebnissen. Den Eheleuten stünden hinreichende verfahrensrechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um sich von einer ungewollten Haftung zu befreien. Wer vermeiden möchte, für Steuern und steuerliche Nebenleistungen herangezogen zu werden, die wirtschaftlich allein der andere Ehegatte verursacht hat, würde der Zusammenveranlagung von vornherein nicht zustimmen oder eine bereits erteilte Zustimmung zum frühestmöglichen Zeitpunkt widerrufen.

Seien die Nachzahlungszinsen bereits in einem Zusammenveranlagungsbescheid gegen beide Eheleute festgesetzt, eröffneten die Vorschriften über die Aufteilung der Gesamtschuld demjenigen Ehegatten einen wirksamen Schutz, auf den die zinsbegründenden Einkünfte nicht entfallen. Die Aufteilung erfasse grundsätzlich auch die Zinsen und erfolge nach dem Verhältnis, das sich bei einer Einzelveranlagung ergeben würde. Die rechtlichen Interessen des nicht einkünfteerzielenden Ehegatten seien durch diese Aufteilungsmöglichkeit hinreichend geschützt.

Hinweis: Damit schließt sich der entscheidende X. Senat der Rechtsprechung des III. Senats an.

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