Grunderwerbsteuer: Steuerfreiheit bei der Rückabwicklung von Erwerbsvorgängen

In zwei aktuellen Urteilen hat sich der BFH zu den engen Voraussetzungen der Steuerfreiheit bei der Grunderwerbsteuer im Falle der Rückgängigmachung von Erwerbsvorgängen geäußert. 

Scheitert ein Grundstückskauf oder wird er rückgängig gemacht, kann unter bestimmten Bedingungen die Grunderwerbsteuer erlassen werden. Auch eine Rückerstattung oder Anpassung bereits gezahlter Steuer ist möglich. Das gilt zum Beispiel, wenn der Kaufvertrag aufgehoben wird (Abs. 1), der Verkäufer das Grundstück zurückkauft (Abs. 2) oder der Kaufpreis nachträglich sinkt (Abs. 3). Diese Steuervergünstigungen gibt es aber nur, wenn der ursprüngliche Kauf rechtzeitig und vollständig beim Finanzamt gemeldet wurde (§ 16 Abs. 5 GrEStG).

Grunderwerbsteuer bei erneuter Anteilsvereinigung nach vorübergehendem Absinken unter 95%-Grenze

Im ersten Fall (Urteil vom 07.05.2025, II R 26/23) hielt die Klägerin, eine GmbH, zunächst 94,9% der Anteile an der grundbesitzenden R-AG. Am 20.12.2011 erwarb sie die restlichen 5,1% der Anteile von der M-GmbH und vereinigte damit 100% der Anteile in ihrer Hand. Das Finanzamt setzte hierfür Grunderwerbsteuer fest. Am 10.10.2012 verkaufte die Klägerin die 5,1% wieder an die M-GmbH zurück (Rückabwicklung des ersten Vertrags), sodass ihre Beteiligung wieder auf 94,9% sank. Am 08.04.2014 machten die Klägerin und die M-GmbH den Rückverkauf vom 10.10.2012 wieder rückgängig. Dadurch vereinigten sich erneut 100% der Anteile in der Hand der Klägerin.

Das Finanzamt setzte für den Vorgang vom 08.04.2014 mit Bescheid vom 27.05.2016 erneut Grunderwerbsteuer fest, da durch die Rückgängigmachung des Vertrags vom 10.10.2012 abermals mindestens 95% der Anteile an der R-AG in der Hand der Klägerin vereinigt worden seien. Die Klägerin legte Einspruch ein und begehrte die Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Sie argumentierte, der Vertrag vom 08.04.2014 stelle einen Rückerwerb dar, da er die Rückabwicklung des Vertrags vom 10.10.2012 zum Gegenstand habe. Das Finanzamt wies den Einspruch zurück. Das Finanzgericht wies die hiergegen eingelegte Klage ab. Es vertrat die Auffassung, § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG sei nicht anwendbar, da der Vertrag vom 10.10.2012 keinen „vorausgegangenen Erwerbsvorgang“, sondern selbst bereits eine Rückgängigmachung (des Vertrags vom 20.12.2011) darstelle. Dementsprechend sei der Vertrag vom 08.04.2014 als (erneuter) Erwerbsvorgang und nicht als Rückerwerb zu qualifizieren.

Der BFH gab der Revision der Klägerin statt und hob die Steuerfestsetzung auf. Nach Ansicht des BFH sei § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG (Steuerbefreiung bei Rückerwerb) hier anwendbar, obwohl der Vertrag vom 10.10.2012 eine Rückgängigmachung des Vertrags vom 20.12.2011 darstellte und der Vertrag vom 10.10.2012 nicht der Grunderwerbsteuer unterlag. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG setze nicht voraus, dass der rückgängig gemachte Vorgang (hier: Erwerb durch M-GmbH am 10.10.2012) selbst der Grunderwerbsteuer unterlag. Die Vorschrift wolle die Wiederherstellung des früheren Zustands begünstigen, unabhängig davon, ob der Ersterwerb steuerbar war.

Bei aufeinanderfolgenden Erwerbsvorgängen sei die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG für jeden Vorgang getrennt zu prüfen. Der Umstand, dass ein Vertrag selbst eine Rückgängigmachung darstelle, schließe nicht aus, dass er auf einer anderen Vertragsstufe als „vorausgegangener Erwerbsvorgang“ qualifiziert werden kann.

Grunderwerbsteuerbefreiung bei Rückgängigmachung einer Schenkung

Im zweiten Fall (Urteil vom 07.05.2025, II R 16/23) war der Kläger ursprünglich Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH. Im Juni 2016 übertrug er 49 % der Geschäftsanteile unentgeltlich an seinen Sohn. Im notariell beurkundeten Schenkungsvertrag behielt sich der Kläger ein Widerrufsrecht vor, das er unter anderem ausüben konnte, wenn der Sohn während der Lebenszeit des Schenkers ohne eigene leibliche Abkömmlinge verstirbt.

Genau dieser Fall trat ein: Der Sohn verstarb im Jahr 2018 unverheiratet und kinderlos. Die Eltern wurden gesetzliche Erben. Der Kläger widerrief daraufhin im November 2018 die Schenkung gegenüber seiner Ehefrau als Miterbin.

Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer fest, da durch den Widerruf alle Anteile wieder in der Hand des Klägers vereinigt wurden. Dies stelle eine steuerbare Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG dar. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts unterliege die aufgrund des Widerrufs bewirkte Anteilsvereinigung zwar nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Die Steuer sei jedoch nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG, der auch für Erwerbsvorgänge im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG gelte, nicht festzusetzen. § 16 Abs. 5 GrEStG stehe der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht entgegen. 

Der Bundesfinanzhof bestätigte das Urteil des Finanzgerichts Münster und gab dem Kläger Recht. Der BFH stellte zunächst fest, dass die durch den Widerruf bewirkte Wiedervereinigung aller Anteile in der Hand des Klägers grundsätzlich der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG unterliege. Der Widerruf als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung sei ein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift, wenn das Widerrufsrecht vertraglich vereinbart wurde. Trotz der grundsätzlichen Steuerbarkeit greife die Steuerbefreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG. Diese Vorschrift sehe vor, dass die Steuer nicht festgesetzt wird, wenn ein Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht werde. Diese Befreiungsvorschrift sei auch auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG (Anteilsvereinigungen) anwendbar und zwar unabhängig davon, ob der ursprüngliche Erwerbsvorgang steuerbar war oder nicht.

Praktische Bedeutung

Die Urteile des BFH klären wesentliche Fragen zur Anwendung der Rückerwerbregelung bei komplexen Anteilsübertragungen. Demnach greift eine Steuerbefreiung grundsätzlich auch dann, wenn der vorausgegangene Erwerbsvorgang nicht steuerbar war, da die Steuerbarkeit keine Voraussetzung für die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist. Der Sinn und Zweck des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG liegt vielmehr darin, die Wiederherstellung des früheren Zustands grunderwerbsteuerrechtlich zu begünstigen, was unterlaufen würde, wenn die Steuerbefreiung nur bei steuerbaren Ersterwerben greifen würde. 

Zugleich verdeutlicht die Entscheidung II R 16/23, dass der Begriff des Rechtsgeschäfts weit auszulegen ist. Selbst ein Widerruf einer Schenkung kann als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG darstellen. Das Urteil ist relevant für die Strukturierung von Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Gesellschaften und zeigt Gestaltungsmöglichkeiten bei vorübergehenden Beteiligungsveränderungen auf.

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