BFH-Urteil zur Verlustabzugssperre: Rückwirkung bestätigt

In seinem Urteil vom 16.07.2025 (I R 20/22) bestätigt der BFH, dass die Verlustabzugssperre nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG auch rückwirkend für vor 2013 abgeschlossene Fälle gilt. Eine Ausnahme für Organgesellschaften gibt es nicht.

Im Kern ging es um die Frage, ob die rückwirkende Anwendung der Verlustabzugssperre (§ 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG in der Fassung ab 2013) auf frühere Veranlagungszeiträume verfassungsgemäß ist. Die Norm soll verhindern, dass Verluste einer Organgesellschaft im Inland genutzt werden, wenn diese Verluste bereits im Ausland steuerlich berücksichtigt wurden. Strittig war, ob diese Regelung auch für Jahre vor 2013 gilt und ob dies eine unzulässige echte Rückwirkung darstellt.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische GmbH, deren alleinige Gesellschafterin in den USA ansässig war (A-Inc), war Organträgerin einer ebenfalls inländischen Organgesellschaft, der B-GmbH. Die B-GmbH war die einzige Organgesellschaft der Klägerin. Im Jahr 2009 schloss die Klägerin als Organträgerin mit der B-GmbH als Organgesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab. 

Im Rahmen der sogenannten „check-the-box“-Regelung wurde die Klägerin im betreffenden Jahr für die US-amerikanische Besteuerung der A-Inc. als „disregarded entity“ eingestuft. Dies bedeutet, dass sie nicht als eigenständiges Steuersubjekt behandelt wurde, sondern wie eine Betriebsstätte ihrer Alleingesellschafterin beziehungsweise deren Gesellschaftern im A-Konzern. Die positiven und negativen Einkünfte der Klägerin wurden somit nach den Besteuerungsgrundsätzen der USA ermittelt. Diese wurden bei der Besteuerung der Alleingesellschafterin und deren Gesellschaftern in den USA berücksichtigt.

Das Finanzamt versagte daraufhin den Verlustabzug nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG und stützte sich dabei auf die rückwirkende Anwendung der Vorschrift gemäß § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG auch für das Streitjahr 2010. Die zeitliche Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf die noch nicht bestandskräftigen Bescheide des Streitjahrs würde sich aus § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG n.F. ergeben.

Das Finanzgericht Düsseldorf hielt die rückwirkende Anwendung für verfassungswidrig und gewährte eine Ausnahme für vor 2013 abgeschlossene Fälle. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KStG n.F. seien zwar erfüllt. Der zeitliche Anwendungsbereich dieser Regelung nach § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG n.F. sei aber einzuschränken, soweit davon nicht bestandskräftige Bescheide für Veranlagungszeiträume vor 2013 betroffen sind, bei denen die Steuerpflichtigen in dem Zeitraum ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung im Inland hatten. Dagegen legte das Finanzamt Revision ein.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Revision des Finanzamts als begründet zurückverwiesen und das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben. Nach Auffassung des BFH ist die rückwirkende Anwendung der Verlustabzugssperre (§ 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG) auf frühere Jahre verfassungsgemäß. Die Regelung verfolge das legitime Ziel, eine doppelte Verlustnutzung zu verhindern – also die gleichzeitige steuerliche Berücksichtigung derselben Verluste im Inland und im Ausland.

Das Finanzgericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, dass § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG n.F. eine verdeckte Regelungslücke zur zeitlichen Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KStG n.F. enthalte. Eine Auslegung gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut ist nur in einem äußerst beschränkten Maße zulässig, nämlich dann, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem offensichtlich unrichtigen oder jeder wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis führen würde, das dem Zweck der Vorschrift und dem Willen des Gesetzgebers zuwiderliefe. In keinem Fall dürfe die richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen, verfälschen oder gar an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers treten. Nach diesen Maßstäben sei § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KStG n.F. für das Streitjahr anwendbar.

Allerdings konnte der BFH nicht abschließend entscheiden, ob die materiellen Voraussetzungen der Verlustabzugssperre im konkreten Fall erfüllt sind. Deshalb wurde die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun prüfen, ob tatsächlich eine ausländische Verlustnutzung vorliegt und ob die Organgesellschaft die entsprechenden steuerlichen Vorteile im Ausland realisiert hat.

Hinweis: Die Entscheidung verdeutlicht, dass Unternehmen mit Organschaften auch für Jahre vor 2013 sorgfältig prüfen müssen, ob Verluste im Ausland genutzt wurden. Die Finanzverwaltung wird die Vorschrift konsequent anwenden. Eine genaue Dokumentation und gegebenenfalls eine rechtliche Überprüfung sind ratsam, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Gerne beraten wir Sie! 

Ansprechpartner

Haben Sie Fragen oder benötigen Sie Unterstützung?

Wenden Sie sich gerne an Ihren lokalen Ansprechpartner oder nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Unsere Kolleginnen und Kollegen helfen Ihnen bei allen auftretenden Fragen weiter.