BFH präzisiert Ausnahmen vom Progressionsvorbehalt

Der BFH hat mit Urteil vom 21.05.2025 (Az. I R 5/22) klargestellt, dass die im § 32b Abs. 1 S. 2 EStG geregelten Ausnahmen vom Progressionsvorbehalt ausschließlich für Einkünfte gelten, die aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) steuerfrei im Inland sind. Einkünfte, die etwa aufgrund einer fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht unberücksichtigt bleiben, sind hiervon ausgenommen.

Der Senat widerspricht damit einer weitergehenden Auslegung des Ausnahmetatbestands und bestätigt die bestehende Systematik. Nach Auffassung des BFH verstößt diese Rechtsfolge auch nicht gegen das Unionsrecht.

Darum ging es

Der zentrale Streitpunkt war, ob die in § 32b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EStG geregelte Ausnahme vom Progressionsvorbehalt auch für Einkünfte gilt, die nicht nach einem DBA steuerfrei sind, sondern lediglich bei fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht unberücksichtigt bleiben.

Der entschiedene Fall betraf eine im Veranlagungszeitraum 2018 in Deutschland zusammenveranlagte Konstellation eines Ehepaars: Der Ehemann war in Deutschland steuerpflichtig, die Ehefrau lebte in Polen und erzielte dort Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Diese Einkünfte wurden in der gemeinsamen Steuerveranlagung aufgrund der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG) nach § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG dem Progressionsvorbehalt unterworfen, obwohl eine entsprechende Klausel im DBA vorlag. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück und stellte klar, dass sich diese Ausnahmeregelung ausschließlich auf Einkünfte bezieht, die nach § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG dem Progressionsvorbehalt unterliegen, also explizit auf DBA-Steuerfreistellungen. Eine Ausdehnung, etwa auf fiktiv unbeschränkt steuerpflichtige Sachverhalte (§ 5 Nr. 5), ist systematisch und vom Wortlaut her ausgeschlossen.

Die Entscheidung beruhe auf der klaren Systematik und dem eindeutigen Wortlaut des § 32b Abs. 1 EStG. Der Gesetzgeber habe die Ausnahme bewusst nur für Fälle vorgesehen, in denen eine Steuerfreistellung gemäß DBA greife. Dies werde durch die Gesetzesbegründung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Jahressteuergesetz 2008/2009, bestätigt. Eine Erweiterung sei nicht beabsichtigt gewesen.

Der BFH bejahte zudem, dass die Entscheidung nicht gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten verstoße. Zwar verlange die Rechtsprechung des EuGH (z.B. Lakebrink, Ritter-Coulais) eine Symmetrie im Progressionsvorbehalt, d.h. bei positiven wie negativen Einkünften, doch gelten diese Grundsätze nicht uneingeschränkt für fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtige ohne echten Wohnsitz im Inland. Die unterschiedliche Behandlung sei systematisch gerechtfertigt und beruhe auf der Ausübung von Zusammenveranlagungsoptionen, nicht auf einer diskriminierenden Diskrepanz.

Hinweis: Bei im Ausland lebenden Ehegatten ist diese Begrenzung oder Verlagerung des Progressionsvorbehalts bedeutsam. Eine Option ist die Begründung eines Wohnsitzes im Inland, um DBA-Privilegien zu nutzen. Gerne beraten wir Sie! 

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