IDW S 16: Neuer Standard zur Krisenfrüherkennung auch im Mittelstand
Der neue IDW Standard S 16 zur Ausgestaltung der Krisenfrüherkennung und des Krisenmanagements nach § 1 StaRUG setzt einen wichtigen Meilenstein für die Unternehmenspraxis in Deutschland. Der Standard wurde vom Fachausschuss Sanierung und Insolvenz (FAS) am 08.09.2025 verabschiedet und am 26.09.2025 vom Hauptfachausschuss (HFA) billigend zur Kenntnis genommen. Er konkretisiert die gesetzlichen Anforderungen, die Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmensträger dazu verpflichten, fortlaufend die Entwicklung ihres Unternehmens zu überwachen, Risiken für den Fortbestand frühzeitig zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ziel ist es, Insolvenzen und existenzbedrohende Krisen möglichst frühzeitig zu vermeiden und die Handlungsfähigkeit der Unternehmen zu sichern.
Pflicht zur fortlaufenden Überwachung und Früherkennung
Im Zentrum des Standards steht die Verpflichtung zur Einrichtung eines wirksamen Systems zur Krisenfrüherkennung. Dieses System muss so gestaltet sein, dass fortbestandsgefährdende Entwicklungen rechtzeitig erkannt werden können. Die Ausgestaltung hängt dabei von der Größe, Branche und Komplexität des jeweiligen Unternehmens ab. Während große und komplexe Unternehmen umfangreiche organisatorische Vorkehrungen treffen müssen, können kleinere und weniger komplexe Unternehmen mit vereinfachten Prozessen arbeiten. Dennoch gilt die Pflicht zur Krisenfrüherkennung für alle Unternehmensträger im Sinne des StaRUG, unabhängig von ihrer Größe.
Unternehmensplanung als Herzstück der Krisenfrüherkennung
Ein zentrales Element der Krisenfrüherkennung ist die Unternehmensplanung. Sie bildet die Grundlage für die Identifikation und Bewertung von Risiken und muss mindestens einen Planungshorizont von zwölf Monaten abdecken. In vielen Fällen ist ein längerer Zeitraum von bis zu 24 Monaten sinnvoll, um Risiken frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Die Planung muss auf plausiblen Annahmen beruhen, die nachvollziehbar dokumentiert werden. Die Dokumentation ist nicht nur aus Nachweisgründen wichtig, sondern auch, um im Haftungsfall belegen zu können, dass die gesetzlichen Sorgfaltspflichten erfüllt wurden.
Systematischer Prozess zur Risikoidentifikation und -bewertung
Der Prozess der Krisenfrüherkennung umfasst mehrere Elemente: Die Entwicklung einer Risikokultur im Unternehmen, die klare Definition von Verantwortlichkeiten und Rollen, die systematische Identifikation und Bewertung von Risiken sowie die Ableitung und Umsetzung von Gegenmaßnahmen. Risiken müssen regelmäßig und systematisch erfasst, bewertet und dokumentiert werden. Dabei ist es wichtig, sowohl Einzelrisiken als auch aggregierte Risiken zu betrachten, da sich fortbestandsgefährdende Entwicklungen oft aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren ergeben. Die Geschäftsleitung muss sicherstellen, dass die Erkenntnisse aus der Risikoidentifikation und -bewertung in die Unternehmensplanung einfließen und dass die Wirksamkeit der Maßnahmen regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst wird.
Krisenmanagement bei erkannten Risiken
Werden fortbestandsgefährdende Entwicklungen erkannt, ist ein Krisenmanagement erforderlich. Dieses umfasst die Analyse der wirtschaftlichen und rechtlichen Ausgangslage des Unternehmens, die Entwicklung eines Leitbilds für das sanierte Unternehmen und die Identifikation sowie Umsetzung von Maßnahmen zur Überwindung der Krise. In fortgeschrittenen Krisenstadien, insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, sind weitergehende Maßnahmen und die Prüfung von Insolvenzeröffnungsgründen notwendig. Die Geschäftsleitung ist verpflichtet, bei Vorliegen entsprechender Gründe einen Insolvenzantrag zu stellen oder ein Restrukturierungsverfahren nach StaRUG einzuleiten.
Skalierbare Anforderungen für Unternehmen jeder Größe
Der IDW S 16 betont die Skalierbarkeit der Anforderungen. Während große Unternehmen komplexe Systeme und Prozesse benötigen, können kleinere Unternehmen mit weniger aufwendigen Strukturen arbeiten. Dennoch müssen auch sie eine angemessene Unternehmensplanung und Dokumentation sicherstellen. Die Kernanforderungen an das Krisenmanagement, wie sie auch im IDW S 6 für Sanierungskonzepte beschrieben sind, gelten für alle Unternehmen und stellen „einleuchtende Vernunfterwägungen“ dar, die bei jeder geplanten Sanierung angestellt werden müssen.
Praxisnahe Orientierung für Geschäftsleiter und Berater
Insgesamt bietet der IDW S 16 eine praxisnahe und rechtssichere Orientierung für Geschäftsleiter und Berater. Er hilft, die gesetzlichen Mindestanforderungen effizient umzusetzen und die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen gegenüber Krisen zu stärken. Damit leistet der Standard einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Wirtschaftsstandorts Deutschland und zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Unternehmen sind gut beraten, die Vorgaben des IDW S 16 frühzeitig in ihre Prozesse zu integrieren und so die Grundlage für nachhaltigen Erfolg und Krisenfestigkeit zu schaffen.
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